Bundesverwaltungsgericht legt Frage zur Freizügigkeit von EU-Doppelstaatern dem EuGH vor

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Beschluss vom 27. Februar 2025 (Az.: BVerwG 1 C 16.23) dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eine entscheidende Frage zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt. Im Kern geht es um die Reichweite der Freizügigkeitsrechte von EU-Doppelstaatern und die daraus resultierenden Aufenthaltsrechte für deren drittstaatsangehörige Familienangehörige.

Hintergrund des Verfahrens

Der Kläger, ein algerischer Staatsangehöriger, lebt seit 2009 in Deutschland mit einer Duldung. Er war von 2017 bis 2021 mit einer Frau verheiratet, die sowohl die deutsche als auch die polnische Staatsangehörigkeit besitzt. Die Ehefrau lebte bis zu ihrem zwölften Lebensjahr in Polen, bevor sie dauerhaft nach Deutschland übersiedelte. Der Kläger ist Vater von drei Kindern, die ebenfalls die deutsche und polnische Staatsangehörigkeit besitzen.

Der Kläger beantragte eine Aufenthaltskarte nach § 5 Abs. 1 Satz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) mit der Begründung, er sei Familienangehöriger einer freizügigkeitsberechtigten EU-Bürgerin. Die deutschen Behörden lehnten den Antrag ab, ebenso wie die nachfolgenden Gerichtsinstanzen. Der Verwaltungsgerichtshof argumentierte, dass die frühere Ehefrau und die gemeinsamen Kinder nicht aktiv von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätten, weshalb dem Kläger kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zustehe.

Vorlagefrage an den EuGH

Das BVerwG hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 21 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) auf einen Unionsbürger anwendbar, der seit seiner Geburt die Staatsangehörigkeit zweier Mitgliedstaaten besitzt und sich in den ersten zwölf Jahren seines Lebens in dem einen und anschließend in dem anderen der beiden Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörigkeit er besitzt, aufgehalten hat, sodass dieser Unionsbürger einem Drittstaatsangehörigen, mit dem er zeitweise verheiratet war und sich gemeinsam in dem zweiten Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, aufgehalten hat, ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht vermitteln kann?

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des EuGH wird weitreichende Folgen für die unionsrechtliche Freizügigkeit haben. Insbesondere wird geklärt, ob EU-Doppelstaater, die in beiden Mitgliedstaaten gelebt haben, als Personen gelten, die von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht haben – und ob sie dadurch ihren drittstaatsangehörigen Familienmitgliedern ein Aufenthaltsrecht vermitteln können. Sollte der EuGH die Vorlagefrage bejahen, könnte dies die Aufenthaltsrechte von Drittstaatsangehörigen in vergleichbaren Fällen erheblich stärken.