OVG Bremen: Abschiebungsandrohung (auch) gegen Gefährder nur mit umfassender Interessenabwägung zulässig
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen hat mit Beschluss vom 9. Juni 2023 (Az. OVG 2 B 19/23) eine wichtige Entscheidung zur Rechtmäßigkeit einer Ausweisungsentscheidung gegen sogenannte Gefährder getroffen. Dabei wurde insbesondere klargestellt, dass eine umfassende Interessenabwägung erforderlich ist, die nicht erst im Rahmen einer Duldung erfolgen darf.
Hintergrund des Beschlusses
Der Betroffene wurde von der Stadt Bremen ausgewiesen, da er als sogenannter Gefährder eingestuft wurde. Ihm wurde die Abschiebung in den Libanon angedroht. Hintergrund der Entscheidung war, dass er aufgrund extremistischer Aktivitäten und einer möglichen Bedrohung der öffentlichen Sicherheit als risikobehaftet galt. Er machte geltend, dass er enge familiäre Bindungen in Deutschland habe und sein Gesundheitszustand eine Abschiebung unzumutbar mache. Die zuständige Behörde hatte diese Umstände erst im Rahmen einer späteren Duldungsprüfung berücksichtigt.
Die rechtliche Perspektive des Falls
Das OVG Bremen stellte klar, dass bereits bei der Entscheidung über die Ausweisung alle relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Kindeswohl, familiäre Bindungen und gesundheitliche Aspekte, umfassend geprüft werden müssen. Eine nachträgliche Prüfung im Duldungsverfahren genügt den rechtlichen Anforderungen nicht. Das Gericht verwies dabei auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach die betroffenen Grundrechte der Person frühzeitig in die Entscheidung einfließen müssen.
Auswirkungen auf die Praxis der Ausländerbehörden
Die Entscheidung des OVG Bremen kann entscheidende Konsequenzen für die Praxis der Ausländerbehörden haben. Das Gericht hat klargestellt, dass die Behörden verpflichtet sind, bereits im Vorfeld einer Abschiebungsandrohung bzw. Ausweisung alle relevanten Umstände sorgfältig zu berücksichtigen und eine vollständige Interessenabwägung vorzunehmen. Andernfalls droht die gerichtliche Aufhebung der Verfügung.
Der aktuelle Beschluss unterstreicht die Bedeutung einer umfassenden und frühzeitigen Berücksichtigung der Grundrechte von Ausländern in Ausweisungsverfahren. Für die Praxis bedeutet dies eine erhöhte Anforderung an die Begründung von entsprechenden Verfügungen und eine stärkere Berücksichtigung der individuellen Umstände des Betroffenen.