Ist Deutschland unsicherer geworden?
In der aktuellen öffentlichen Debatte wird in Deutschland vermehrt über ein steigendes Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung diskutiert. Doch spiegelt sich dieses Empfinden auch in den tatsächlichen Kriminalitätsstatistiken wider?
Anstieg der registrierten Straftaten: Zahlen und Entwicklungen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik 2023
Jedes Jahr veröffentlicht das Bundeskriminalamt die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), die einen Überblick über das registrierte Straftatenaufkommen in Deutschland gibt. Die PKS dient als wichtige Grundlage für Politik, Justiz und Wissenschaft, um Entwicklungen in der Kriminalität zu analysieren und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Allgemeiner Anstieg der Kriminalität
Im Jahr 2023 registrierte die Polizei in Deutschland fast sechs Millionen Straftaten. Dies entspricht einem Anstieg von 5,5 % gegenüber dem Vorjahr 2022 und einem Plus von 9,3 % im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019. Diese Entwicklung verdeutlicht, dass sich die Kriminalitätslage in Deutschland nach den pandemiebedingten Rückgängen wieder verschärft.
Entwicklung schwerer Gewaltverbrechen: Tötungsdelikte
Die Zahl der Tötungsdelikte blieb 2023 nahezu stabil. Insgesamt wurden 2.858 Fälle registriert, während es 2022 2.801 waren, was einer leichten Steigerung von etwa 2 % entspricht.
Inzidenz von Tötungsdelikten wird durch die Häufigkeitszahl ausgedrückt, die die Anzahl der Fälle pro 100.000 Einwohner angibt. Diese Kennzahl ermöglicht einen besseren Vergleich über verschiedene Zeiträume hinweg, da sie die Bevölkerungsentwicklung berücksichtigt.
Die Häufigkeitszahl blieb mit 3,70 pro 100.000 Einwohner konstant. Im historischen Vergleich zeigt sich jedoch ein deutlicher Rückgang.
- 1993: 6,35 Fälle pro 100.000 Einwohner
- 1998: 4,55 Fälle pro 100.000 Einwohner
- 2003: 4,20 Fälle pro 100.000 Einwohner
- 2008: 3,90 Fälle pro 100.000 Einwohner
- 2013: 3,70 Fälle pro 100.000 Einwohner
- 2018: 3,90 Fälle pro 100.000 Einwohner
- 2019: 3,80 Fälle pro 100.000 Einwohner
- 2020: 3,75 Fälle pro 100.000 Einwohner
- 2021: 3,72 Fälle pro 100.000 Einwohner
- 2022: 3,70 Fälle pro 100.000 Einwohner
- 2023: 3,70 Fälle pro 100.000 Einwohner
Diese Daten zeigen, dass die Häufigkeit von Tötungsdelikten seit den 1990er Jahren kontinuierlich gesunken ist. Die Gefahr, Opfer eines Tötungsdeliktes zu werden, ist noch nie so niedrig gewesen wie aktuell. Während 1993 noch 6,35 Fälle pro 100.000 Einwohner registriert wurden, lag die Häufigkeitszahl im Jahr 2023 bei 3,70. Dies entspricht einem Rückgang von etwa 42 % über diesen Zeitraum und zeigt eine langfristige Abnahme trotz einzelner jährlicher Schwankungen.
Anstieg der Gewalttaten
Neben der allgemeinen Zunahme der registrierten Straftaten ist insbesondere der Anstieg der Gewaltkriminalität deutlich erkennbar. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik wurden im Jahr 2023 über 214.000 Gewaltdelikte registriert, was einem Anstieg von 8,6 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Besonders stark war die Zunahme bei Körperverletzungen, Raubüberfällen und Angriffen auf Einsatzkräfte.
Wer ist besonders gefährdet, Opfer von Straftaten zu werden?
Das Risiko, Opfer von Straftaten zu werden, ist nicht gleichmäßig über die Bevölkerung verteilt. Verschiedene Faktoren wie Geschlecht, Alter oder politisches Engagement können eine Rolle spielen. Einige Gruppen sind besonders häufig betroffen:
Frauen
Frauen sind in bestimmten Kontexten besonders gefährdet, Opfer von Tötungsdelikten zu werden. Im Jahr 2023 wurden 938 Frauen und Mädchen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten, was einem Anstieg von 1 % gegenüber 2022 entspricht. Von diesen Fällen waren 360 vollendete Tötungsdelikte, wobei 247 der Opfer im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt standen. Bemerkenswert ist, dass über 80 % der weiblichen Opfer von Tötungsdelikten innerhalb von Partnerschaften getötet wurden.
Kinder
Die PKS 2023 verzeichnete 3.443 Fälle von Kindesmisshandlung gemäß § 225 StGB, was nahezu dem Niveau des Vorjahres entspricht. Insgesamt wurden 4.336 Opfer registriert, davon 54,5 % männlich und 45,5 % weiblich. Die Aufklärungsquote lag bei 96,1 %.
Ältere Menschen
Laut PKS 2023 wurden 15.720 Personen ab 60 Jahren als Opfer von Gewaltkriminalität registriert, was etwa 6,2 % aller Opfer von Gewaltkriminalität entspricht.
Ältere Menschen sind oft Ziel von Betrugsdelikten, wie beispielsweise dem sogenannten „Enkeltrick“ oder falschen Gewinnversprechen. Diese Straftaten nutzen das Vertrauen und die Gutgläubigkeit älterer Personen aus, um finanzielle Vorteile zu erlangen.
Migrantinnen und Migranten
Im Jahr 2023 wurden insgesamt 1,25 Millionen Personen als Opfer von Straftaten registriert, darunter 310.095 ausländische Staatsangehörige (24,8 % aller Opfer). Von diesen waren 66.586 Personen als „Zuwanderer“ kategorisiert, einschließlich Asylbewerber, Schutzberechtigte und Personen mit Duldungsstatus.
Migrantinnen und Migranten, insbesondere solche ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, sind häufig Opfer von Ausbeutung, Menschenhandel oder fremdenfeindlichen Übergriffen. Ihre oft prekäre rechtliche und soziale Situation erhöht das Risiko, Opfer von Straftaten zu werden.
Politisch motivierte Straftaten
Im Bereich der politisch motivierten Kriminalität (PMK) wurden 2023 insgesamt 60.028 Straftaten registriert, ein Anstieg von 1,89 % gegenüber dem Vorjahr und der höchste Stand seit Einführung des Meldedienstes im Jahr 2001.
- Rechtsmotivierte Taten: 28.945 Straftaten, ein Anstieg von 23 %, darunter 1.270 Gewaltdelikte (+8,6 %).
- Linksmotivierte Taten: 7.777 Straftaten (+11 %), darunter 916 Gewaltdelikte.
- Straftaten gegen Politiker und Amtsträger: 5.388 Fälle (+29,1 %). Die Mehrheit bestand aus Beleidigungen, meist anonym im Internet. Gewaltdelikte nahmen hingegen um ein Drittel ab. Besonders betroffen waren Politiker der Grünen, gefolgt von SPD- und FDP-Politikern.
Wie hoch ist das Risiko, Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden?
Das Risiko, in Deutschland Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden, ist äußerst gering. Terroristische Angriffe sind seltene Ereignisse, die zwar erhebliche mediale Aufmerksamkeit erhalten, jedoch statistisch gesehen nur einen minimalen Anteil aller Straftaten ausmachen. Im Vergleich zu anderen Risiken des Alltags, wie Unfällen oder Naturkatastrophen, bleibt die Wahrscheinlichkeit verschwindend niedrig.
Zwischen 1970 und 2018 wurden in Deutschland insgesamt 1.320 Terroranschläge registriert, wobei insgesamt 183 Menschen ums Leben kamen. Diese Taten hatten unterschiedliche ideologische Hintergründe, darunter linksextremistische, rechtsextremistische, separatistische und islamistische Motive. Ein erheblicher Anteil dieser Anschläge wurde von linksextremistischen Gruppen wie der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) verübt, die zwischen 1970 und 1998 aktiv war.
Medien berichten oft intensiv über terroristische Anschläge, wodurch die wahrgenommene Bedrohung größer erscheinen kann als sie tatsächlich ist.
Migration und Kriminalität
Die öffentliche Wahrnehmung von Migration und Kriminalität unterscheidet sich häufig von den tatsächlichen Zahlen. Studien zeigen, dass Migration keinen systematischen Einfluss auf die Kriminalität hat. Dennoch sind Ausländer in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) überrepräsentiert, was oft zu Fehlinterpretationen führt.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2023 zeigt, dass der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger bei allen erfassten Straftaten 41,1 % beträgt. Werden ausländerrechtliche Verstöße herausgerechnet, liegt dieser Anteil bei 34,4 %. Zum Vergleich: Der Anteil von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit an der Gesamtbevölkerung Deutschlands liegt bei etwa 16 %.
Die statistische Überrepräsentation nichtdeutscher Tatverdächtiger in der Kriminalitätsstatistik ist vor allem auf strukturelle und sozioökonomische Faktoren zurückzuführen, nicht auf eine generelle höhere Kriminalitätsneigung von Migranten. Eine Analyse des ifo Instituts (2025) zeigt, dass Migration keinen systematischen Einfluss auf die Kriminalitätsrate hat. Aus der Statistik gehen insbesondere folgende Erkenntnisse hervor:
- Überrepräsentation in der PKS: 2023 kamen auf 1.000 ausländische Einwohner 57 nichtdeutsche Tatverdächtige (ohne ausländerrechtliche Verstöße), bei Deutschen waren es 19.
- Regionale Unterschiede statt Kausalität: Eine höhere Migrantenquote in einem Gebiet führt nicht zu mehr Kriminalität. Vielmehr korreliert Kriminalität mit wirtschaftlichen Faktoren, der Bevölkerungsdichte und sozialen Spannungen.
- Statistische Verzerrungen: Die PKS erfasst polizeilich ermittelte Tatverdächtige, jedoch keine Verurteilungen. Zudem bleiben über 40 % der Straftaten ohne bekannten Täter, und Kontrolldichte sowie Anzeigebereitschaft beeinflussen die Daten.
- Unterschiede nach Deliktart: Migration hat keinen messbaren Einfluss auf Gewalt- oder Eigentumsdelikte, wenn sozioökonomische Faktoren berücksichtigt werden.
- Mediale und politische Fehlwahrnehmungen: Wahlkampfnarrative und mediale Berichterstattung über Einzelfälle verzerren das Bild der Kriminalität in Deutschland. Studien zeigen, dass Migration langfristig keine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit darstellt.
Maßnahmen zur besseren Einordnung der Kriminalitätsstatistik:
- Bessere Integration: Zugang zum Arbeitsmarkt und Sprachförderung senken das Kriminalitätsrisiko.
- Datenqualität verbessern: Eine genauere Erfassung von Straftaten und eine Differenzierung zwischen Tatverdacht und Verurteilung könnten eine realistischere Einschätzung ermöglichen.
- Aufklärung & Medienkompetenz: Sachliche Berichterstattung und Bildungsinitiativen sind essenziell, um Fehlwahrnehmungen zu verhindern.
Die genannten Faktoren verdeutlichen, dass die Überrepräsentation nichtdeutscher Tatverdächtiger in der Kriminalitätsstatistik nicht zwangsläufig auf deren Staatsangehörigkeit zurückzuführen ist, sondern auf eine Vielzahl struktureller und sozialer Einflüsse.
Geht von ausreisepflichtigen Ausländern eine besondere Gefahr aus?
Mitte 2024 waren in Deutschland rund 226.000 Menschen vollziehbar ausreisepflichtig, was 0,272 % der Gesamtbevölkerung entspricht. Die Zahl der ausreisepflichtigen Personen ist rückläufig, insbesondere aufgrund aufenthaltsrechtlicher Regelungen wie § 25a, § 25b oder § 104c AufenthG, die bei nachgewiesenen Integrationsleistungen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ermöglichen. Ein Teil dieser Personen kann jedoch nicht unmittelbar abgeschoben werden, unter anderem aufgrund fehlender Rücknahmeabkommen mit ihren Herkunftsländern, gesundheitlicher Einschränkungen oder laufender rechtlicher Verfahren. Während einige auf ihre Rückführung warten, leben andere bereits seit längerer Zeit mit einer Duldung in Deutschland und sind in unterschiedlichem Maße in Gesellschaft und Arbeitsmarkt integriert.
Es gibt keine belastbaren statistischen Erhebungen dazu, inwieweit ausreisepflichtige Personen ein höheres Sicherheitsrisiko darstellen als die Gesamtbevölkerung. Die Ausgestaltung der Abschiebepolitik und deren Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit bleiben Gegenstand politischer und gesellschaftlicher Debatten.
Fazit
Die Kriminalstatistik 2023 zeigt, dass die Straftaten in Deutschland wieder zunehmen, insbesondere im Bereich der Gewaltkriminalität. Diese Entwicklung erfordert gezielte Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Straftaten. Gleichzeitig ist es wichtig, Fehlwahrnehmungen über Migration und Kriminalität zu hinterfragen und faktenbasiert zu diskutieren. Es bleibt abzuwarten, welche politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen aus diesen Zahlen gezogen werden, um die öffentliche Sicherheit langfristig zu gewährleisten.