Ausweisung: „Abschiebung nach Straftat“

Ausländer, die in Deutschland eine Straftat begangen haben, müssen mit einer sogenannten Ausweisung rechnen. In den letzten Jahren ist die Zahl der Ausweisungen verurteilter Ausländer gestiegen. Zum Stichtag 30. Juni 2024 hielten sich rund 35.700 Personen in Deutschland auf, die ausgewiesen wurden und somit eine „Ausweisungsverfügung“ von der Ausländerbehörde erhalten haben. Die meisten von ihnen stammen aus der Türkei (ca. 12 Prozent), Serbien (sieben Prozent), Kosovo (fünf Prozent), der Ukraine (fünf Prozent) und Albanien (vier Prozent).

Die Ausweisung ist ein schwerwiegendes Mittel der Behörden mit erheblichen Konsequenzen für die Betroffenen. Selbst in Deutschland geborene und aufgewachsene Ausländer können davon betroffen sein. In solchen Fällen ist es dringend ratsam, sich an einen auf Ausländerrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu wenden.

 

Was ist eine Ausweisung?

Die Ausweisung ist in § 53 AufenthG geregelt. Sie ist eine behördliche Anordnung, die einen Ausländer verpflichtet, das Bundesgebiet zu verlassen. Mit der Ausweisung wird der bestehende Aufenthaltstitel aufgehoben, wodurch das Aufenthaltsrecht erlischt.

 

Was ist der Unterschied zwischen einer Ausweisung und einer Abschiebung?

Die Abschiebung ist in § 58 AufenthG geregelt und bezeichnet die Durchsetzung der Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik, notfalls sogar mit körperlicher Gewalt. Grundvoraussetzung einer Abschiebung ist, dass der Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig ist.

Die Ausweisung ist eine Möglichkeit, den Aufenthalt eines Ausländers zu beenden. Durch die Ausweisung wird der entsprechende Aufenthaltstitel beseitigt, mit der Folge, dass eine Ausreisepflicht nach §§ 50 ff. AufenthG begründet wird. In der Praxis wird eine Ausweisungsverfügung in der Regel gegen straffällig gewordene Ausländer erlassen.

Die Abschiebung kann eine Folge der Ausweisung sein. Durch die Ausweisung wird das Aufenthaltsrecht beseitigt und durch die Abschiebung wird die tatsächliche Ausreise durchgesetzt.

 

Was sind die Voraussetzungen einer Ausweisung?

Die Voraussetzungen der Ausweisung sind in den §§ 53 ff. AufenthG geregelt.

Zunächst muss überhaupt ein Ausweisungsanlass vorliegen. Die Ausweisung soll der Abwehr von gegenwärtigen und zukünftigen Gefahren dienen, die vom Ausländer ausgehen. Es muss demnach aufgrund eines Fehlverhaltens des Betroffenen eine Prognose getroffen werden, die auf eine solche Gefahr schließen lässt.

Ferner muss im Rahmen der Ausweisungsentscheidung stets zwischen dem sog. öffentlichen Ausweisungsinteresse und dem privaten Verbleibeinteresse abgewogen werden. Nur wenn das öffentliche Ausweisungsinteresse überwiegt, ist die Ausweisung gerechtfertigt.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass obwohl § 53 AufenthG grundsätzlich kein Ermessen vorsieht, die Behörde bei ihrer Entscheidung dennoch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen hat. Nur wenn die Ausweisung auch im Einzelfall verhältnismäßig ist, darf die Behörde den Ausländer ausweisen.

 

Öffentliches Ausweisunginteresse

In § 54 AufenthG ist geregelt, welche Umstände für ein öffentliches Ausweisungsinteresse sprechen. Grundsätzlich wirkt sich jede begangene Straftat negativ aus. Je schwerer die Tat, desto schwerer wiegen die öffentlichen Belange. In § 54 Abs. 1 AufenthG werden die Ausweisungsgründe aufgelistet, die „besonders schwer wiegen“, in § 54 Abs. 2 AufenthG diejenigen die zumindest „schwer wiegen“.

Gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG werden insbesondere Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren besonders berücksichtigt. Darüber hinaus wirken auch bestimmte Straftaten besonders aus, wie zum Beispiel Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gem. § 54 Abs. 2 Nr. 1a c) AufenthG.

 

Private Bleibeinteressen

Die privaten Bleibeinteressen sind in § 55 AufenthG geregelt. Der Aufbau der Norm gleicht der des § 54 AufenthG.

Besonders schwer wiegt hier insbesondere der vorherige Aufenthalt im Bundesgebiet. Zudem sind unter andere familiäre Bindungen im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Je verfestigter der Aufenthalt in Deutschland ist und je integrierter der Betroffene ist, desto schwerer wiegen in der Regel die privaten Bleibeinteressen.

 

Kann man abgeschoben werden, wenn man in Deutschland geboren worden ist?

Die Geburt in Deutschland führt nicht automatisch dazu, dass die Person ein Aufenthaltsrecht erhält. Das deutsche Aufenthaltsrecht unterscheidet sich hier von der Staatsangehörigkeit: Während unter bestimmten Voraussetzungen in Deutschland geborene Kinder automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können (§ 4 StAG), gilt dies nicht für das Aufenthaltsrecht. Auch wer seit der Geburt in Deutschland lebt, kann sich unter Umständen in einer aufenthaltsrechtlich unsicheren Situation befinden.

Eine Abschiebung ist grundsätzlich auch dann möglich, wenn eine Person in Deutschland geboren wurde – sogar dann wenn sie über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht verfügt. In bestimmten Fällen, etwa bei schwerwiegenden Straftaten, kann eine Ausweisung und anschließende Abschiebung erfolgen.

Allerdings ist die Geburt in Deutschland ein bedeutender Faktor in der behördlichen Abwägungsentscheidung. Die Ausländerbehörde muss bei der Prüfung einer möglichen Abschiebung berücksichtigen, ob und wie stark die betroffene Person in Deutschland verwurzelt ist. Wer hier aufgewachsen ist, spricht in der Regel die deutsche Sprache und hat häufig keine oder nur schwache Bindungen zum Herkunftsland seiner Eltern. Diese Aspekte können eine Abschiebung erschweren oder sogar verhindern. Letztlich hängt die Entscheidung immer von einer umfassenden Einzelfallprüfung ab.

Ausweisung straffälliger Ausländer: Unzulässige Doppelbestrafung?

In unserem Rechtsstaat gilt der Grundsatz „ne bis in idem“, das heißt, es gilt das Verbot der Doppelbestrafung. Dieser Grundsatz ist eine der fundamentalsten Säulen und Grundprinzipien des deutschen Strafrechts. Das Verbot der Doppelbestrafung ist in Art. 103 Abs. 3 GG geregelt. Keiner darf für seine Tat mehrfach bestraft werden.

Doch ist eine Ausweisung nach Verbüßung einer Strafe nicht eine erneute Strafe? Gerade in Fällen, in denen die Betroffenen in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, stellt die Ausweisung oftmals sogar die „härtere“ Rechtsfolge dar.

Gem. Art. 103 Abs. 3 GG darf niemand wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden. Die Regelungen nach §§ 53 ff. AufenthG sind jedoch keine allgemeinen Strafgesetze.

Zudem soll die Ausweisung als sicherheitsrechtliche Präventivmaßnahme dienen und somit keine zusätzliche Strafe darstellen. Die Ausweisung wird erlassen, weil eine gegenwärtige oder zukünftige Gefahr prognostiziert wird. Nur deswegen sei der Aufenthalt in Deutschland zu beenden.

Aufgrund dessen geht die Rechtsprechung davon aus, dass die neben einer Strafe verhängte Ausweisung nicht unter das Verbot der Doppelbestrafung fällt.

 

Kann man eine Ausweisung verhindern?

Selbstverständlich gibt es Rechtsschutzmöglichkeiten, insbesondere die sog. Anfechtungsklage bzw. ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, gegen einen Ausweisungsbescheid. Die Erfolgsaussichten sind einzelfallabhängig. Eine erste Einschätzung kann erst nach einer umfangreichen Besprechung erfolgen.

An dieser Stelle ist nochmals darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Ausweisung um eine Maßnahme handelt, die aufgrund eine Gefahrenprognose ergeht. Diese Entscheidung wird unabhängig von der Strafe im Urteil aufgrund der begangenen Straftat getroffen. Betroffene kennen sich verständlicherweise oftmals überhaupt nicht mit den gesetzlichen Regelungen aus und haben den Irrglauben, dass zum Beispiel durch die Zahlung einer Geldstrafe alle Rechtsfolgen beseitigt sind. Dem ist aber nicht so.  Ausländer müssen noch einer Verurteilung in bestimmten Fällen stets mit einer Ausweisung rechnen. Das gilt völlig unabhängig davon, ob die Freiheitsstrafe bereits verbüßt oder die Geldstrafe vollständig beglichen worden ist.

Die Vertretung im Ausweisungsrecht ist aufwendig, zeitintensiv und von überragender Bedeutung für die Betroffenen. Es ist insbesondere zwingend notwendig, die gesamte Lebensgeschichte zu erfassen, um jegliche Aspekte herauszuarbeiten, die im Rahmen der Abwägung für das private Bleibeinteresse sprechen.

Im Ausweisungsrecht ist kein Fall wie der andere.